Weblog: Alle casten Pod

Freund Tonjäger ist kaum noch zu bremsen. Er zieht die Tastatur zu sich. «Melanie C», tippt er im Adlersystem, drückt auf den Suchknopf, spielt den Hit an – jene paar Sekunden, die er anhören kann, bevor er zur Kasse gebeten wird. «Gwen Stefani» tippt er, «Mary J Blige» und «Fanta 4». Hätte der Berner Zeitungsblogger dem Freund Tonjäger nicht zackig die Tasten unter den zuckenden Fingern weggezogen – er hätte den halben Musikshop leer gekauft. Er sei nicht zum Shoppen da, gibt der Zeitungsblogger nun den Ton an. Er sei da, um den Rechner auf Vordermann zu bringen, und dem Tonjäger ein Update zu geben. Und nun wolle er ihm einen Podcast zeigen.

«Einen Podwas?», fragt der Tonjäger. Ein Podcast sei – grob gesagt – eine abonnierbare Radiosendung, doziert der Zeitungsblogger. «Und was bringt das?», unterbricht ihn der Tonjäger. Für ihn als Pendler seien Podcasts praktisch, fährt der Zeitungsblogger fort: Bevor er aus dem Haus gehe, stöpsle er den Musikplayer an den Rechner. Die abonnierten Sendungen würden dann automatisch darauf kopiert. «Ist das kompliziert?», fragt der Tonjäger. «Das schaffst auch du», kontert der Zeitungsblogger. In iTunes – der Software, die er soeben installiert habe – könne er Podcasts ganz einfach abonnieren. Mit Progrämmchen wie RSS-Owl, Juice oder jPodder sei es kaum komplizierter. «Schau», sagt er – und abonniert rasch das Echo der Zeit.

Freund Tonjäger ist begeistert. Er schnappt sich das Keyboard, abonniert den Podcast aus der Bundesrats-WG von Radio 24, und den nigelnagelneuen von Capital.fm. Er hätte auch gleich «International» und «Heute Morgen» von Radio DRS abonniert, und vom Fernsehen die Kassensturz– und MTW-Videos. Er hätte sich bei der BBC Reportagen der Korrespondenten geholt, bei CNN die News, bei NPR den Hintergrund und bei RFI das «Journal en français facile». Er hätte sich Weltwoche-Artikel vorlesen lassen, den Künstlergesprächen auf Artcast gelauscht. Irgendwann hätte er die Musik auf Netzlabels wie Starfrosch entdeckt. Und dann hätte der Zeitungsblogger plötzlich nichts mehr gehört von Freund Tonjäger. Deshalb nimmt er die Maus wieder selbst in die Hand und sagt: «Und nun zeige ich dir, wie du übers Internet telefonieren kannst.»

Doch auch dem Zeitungsblogger lassen die Podcasts keine Ruhe. Alle casten Pod, sinniert er beim Heimpedalen, bloss er tippe Textchen. Das müsse sich ändern, beschliesst er. Und deshalb macht er nun auch einen Podcast – demnächst in seinem nigelnagelneuen Weblog.

Meine Kolumne Weblog erscheint alle 14-Tage im Bund Showtime der Berner Zeitung. Der oben stehende Text wurde am 25. Januar 2006 in der BZ veröffentlicht und steht auch auf Espace.ch. Nach der Publikation erscheinen die Weblogs jeweils hier auf Borniert.com.

5 Gedanken zu „Weblog: Alle casten Pod“

  1. Wie konntest Du bei den Playern AmaroK ignorieren!!! 😉 Ein bisschen mehr Open Source Promotion, bitte…

    Coole Hinweise auf die Podcasts!

    Und wer ist wohl dieser Tonjäger…

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