Weblog: Betty schreibt, Stefan jodelt und Heinrich blamiert sich

April, April! Betty Bossi ist also doch nicht zu einer Signierstunde angetreten – und kocht ihr Süppchen weiterhin vorab in der Fantasie gutgläubiger Rezeptenachkocherinnen. April, April! Stefan Raab jodelt doch nicht am Eidgenössischen – und die Organisatoren des Jodlerfestes, die die Scherzmeldung ausgeheckt haben, bezahlen inskünftig wieder für Werbung. April, April! Musikplayer zum Implantieren in Zähne existieren ebenso wenig wie ein iCopulator zum Verbinden zweier iPods zwecks Musiktausch oder ein DVD-Player, der sich einfach zum Rekorder umbauen lässt.

April, April! Jetzt geht der Berner Zeitungsblogger der Scherzerei auf den Grund. Veräppelt werde seit dem 16. Jahrhundert, liest er in der Wikipedia, und zwar vorab in westeuropäischen Ländern und Amerika, nicht aber in Spanien, wo man am 28. Dezember, dem Día de los Santos Inocentes, zu scherzen pflege und wo deshalb anno 1978 die neue Verfassung statt am 28. dann doch erst am 29. in Kraft gesetzt worden sei. Wie die Scherzerei entstanden ist, darauf findet der Zeitungsbloggger keine klare Antwort: War die Kalenderreform der Grund, mit der König Karl IX. aus Frankreich anno 1564 den 1. April auf den 1. Januar verlegte? Wer am 1. April Neujahr feierte, wurde verspottet. Oder war es die vermeindliche unmoralische Einladung einer Sechzehnjährigen an Heinrich IV.? Der französische König fand sich damals – statt in trauter Zweisamkeit mit Lolita – vor dem gesamten Hofstaat inklusive Gattin wieder – an einem Narrenball.

April, April! Der Zeitungsblogger kramt im Fundus des Scherzmuseums. Dort steht die BBC-Meldung von 1957 über die – nach dem milden Winter – gute Schweizer Spaghetti-Ernte. Ihm wird klar: Briten haben wirklich keinen Schimmer von Kulinarischem. Hätten sie auch geglaubt, dass Teigwaren in Italien wüchsen und von Umbertos Frau geerntet würden – von Betty Bossi?

Meine Kolumne Weblog erscheint wöchentlich im Bund Showtime der Berner Zeitung. Der oben stehende Text wurde am 6. April 2005 in der BZ sowie auf Espace.ch veröffentlicht. Einige Tage nach der Publikation erscheinen die Weblogs jeweils hier auf borniert.com.

Wolfowitz

Wolfo-Witz auf Blick Online

Im Osten ist Ringier längst präsent. Auch in Deutschland sucht der Verlag neue Büros. Vorallem aber will Ringier den asiatischen Markt aufmischen. Einen Anfang macht heute Blick Online. Die Internetplattform geht dabei mit einem spannenden Sprachenmix ganz neue Wege: Offenbar richtet sich der welt(bank)politische Inhalt bereits an ein asiatisches Publikum. In den Inseraten hingegen wird – wohl ganz im Sinne der Weltbank nach der Wolfowitz’schen Reform – in bestem Denglisch geworben: für Dienstleistungen aus Prag. Die Meldung über den Herzinfarkt des Papstes hingegen ist wieder in lateinischen Lettern – kein Wunder: In Asien gibts ja auch kaum Katholiken.

Nun gut: Vielleicht beliebten anlässlich des 1. April auch nur die Ringier-Techniker zu scherzen – unter anderem mit diesem Wolfo-Witz.

Weblog: A bun gartetg

Bun di Google – nun gibts die beliebte Suchmaschine also auch in Rumantsch, wie der Weblinkschreiber gelesen hat. Er testet sie aus: Er duchkämmt la Rait statt das Web, sucht Maletgs statt Bilder, stöbert im Catalog und den Gruppas. Grazia per lavur, stiefelt er dann mit dem Englisch-Rumantsch-Diktionär zusammen, zuhanden der Übersetzer um Sascha Brawer, Google-Mitarbeiter aus Bern, sowie Florian Verdet, Student in Freiburg und Mitglied der Gruppe GNU-Rumantsch, die Opensource-Programme ins Rätoromanische übersetzt.

Bun di Wikipedia – letztes Jahr wurde auch eine rätoromanische Version der Enzyklopädie, an der alle mitschreiben können, aufgeschaltet. Doch diese Wikipedia wächst bloss langsam: Sie hat derzeit 67 Artikel. Char Rumantscha, stachelt der Berner Zeitungsblogger die Mitbürgerinnen und -bürger im Osten an, seht, wie fleissig die Alemannen waren: Sie haben 461 Dialektartikel geschrieben – fast so viele wie die Iren mit ihren 580 irisch-gälischen. Schlimmer noch ist der Vergleich mit den – Moin Moin – 1483 der Plattdüütschen, den – Ave! – 2717 der lateinisch und den – Bonvenon – 21 777 der Esperanto-Schreibenden. Aber eben: Ihr seid halt ein gar kleines Völkchen…

Iwe itse irde, Ittelerme? Die Matteänglisch-Wikipedia sucht man bislang vergebens. Zwar schrieb Res Margot vor Jahren schon ein Berndeutsch-Matteänglisch-Übersetzungsprogramm, das wirklich alles übersetzen kann. Bände man dieses an die Alemannische Wikipedia an, spuckte es eine in Matteänglisch aus, sinniert der Berner Zeitungsblogger. Er ist erstaunt, dass noch niemand aus der Berner Technomeile auf diese Idee gekommen ist, und fordert: Ie d Isehe, Idime inde Ielege. Ilehe irme d Itromanere ie.

Meine Kolumne Weblog erscheint wöchentlich im Bund Showtime der Berner Zeitung. Der oben stehende Text wurde am 30. März 2005 in der BZ sowie auf Espace.ch veröffentlicht. Einige Tage nach der Publikation erscheinen die Weblogs jeweils hier auf borniert.com.

Weblog: Stuhl- und andere Tänze

Es frohlocket das Herze. Es kribbeln die Beine. Der Frühling kommt. Das spürt der Berner Zeitungsblogger. «Lasset uns das Tanzbein schwingen», tippt er in seinen Computer — und erschrickt ab seinem Mute. Ach, wie leichtsinnig ihn der Frühling macht. Er kann ja gar nicht tanzen. Er hat es nie gelernt. Glücklicherweise hilft ihm Martin Vogler auf die Sprünge: Auf seiner Website erklärt dieser die Standardtänze – Schritt für Schritt.

Hätte der Berner Zeitungsblogger nicht bald darauf Gary kennengelernt, er drehte sich noch heute im Kreise. Der Teenager Gary führte vor seiner Webcam zum moldawischen Gassenhauer «Dragostea Din Tei» einen Sitztanz auf. Schnell wie ein Virus verbreitete sich die Kunde vom Sesseltanz via die E-Mail-Konten gelangweilter Angestellter. Und nachdem das Portal Newgrounds.com das Filmchen gezeigt hatte, standen plötzlich die Medien beim Sitztänzer Schlange. Sogar die seriöse New York Times schickte einen Reporter, der Garys Grossvater beim Müll hinaustragen einige Statements entlockte. Und der Spiegel Online bat seine Leser zum Sesseltanz.

Gary aber findet den Rummel gar nicht lustig. Das Filmchen ist ihm peinlich. Er hat es satt, dass die Welt über ihn lacht. Aber nein, lieber Gary, tröstet der Berner Zeitungsblogger. Dein Sitztanz wird kult – ähnlich wie das Lichtschwert-Gefuchtel des Star Wars Kid. Guck dir mal den Affentanz von Microsoft-Chef Steve Ballmer an. Ist das nicht peinlicher als dein kleines Sitztänzchen? Übrigens, fügt der Berner Zeitungsblogger leise hinzu, übrigens übe auch er jetzt das Sesseltanzen – vorläufig im stillen Kämmerlein und ohne Webcam.

Meine Kolumne Weblog erscheint wöchentlich im Bund Showtime der Berner Zeitung. Der oben stehende Text wurde am 23. März 2005 in der BZ sowie auf Espace.ch veröffentlicht. Einige Tage nach der Publikation erscheinen die Weblogs jeweils hier auf borniert.com.

Weblog: Der erleuchtete Computer

Fräsen, feilen, färben. An diesen Rechnern haben sie wohl lange gewerkelt. Jetzt stellen die Bastler ihre Meisterwerke auf der Cebit aus. Der Berner Zeitungblogger staunt: Rot, grün, blau strahlen die Rechner. Einige haben Lüfter wie Turbinen. In einigen blubbert Flüssiges. Einer steckt in der Büste einer Schaufensterpuppe. Der Zeitungsblogger vergisst den ganzen Trubel in Halle 27, wo die Computerspieler ihre Europameisterschaften austragen und die hübschen Töchter Hannovers in Tarnkleidchen für Kampfspiele in den Werbefeldzug stöckeln. Das alles verblasst, als er sich vom Besucherstrom an den spektakulären Exponaten vorbeitreiben lässt. Die Bastler haben Löcher in Wände gefräst, Fenster eingebaut, Platinen beleuchtet. Sie haben abgefahrene Gehäuse konstruiert – oder Harassen, Kaffeautomaten, Mülleimer zweckentfremdet. Case-Modding nennen sie das. Online treffen sie sich auf Tweaker, Exclaim, Modding-FAQ.

Löten, leimen, lackieren. Auf der Cebit gibts nicht nur eine Schönheitskonkurrenz für intakte PC. Mach flott den Schrott, reimt Heise und sucht die tollkühnsten Schrottobjekte. Die Presverleihung findet am Mittwoch um 12 Uhr statt, direkt übertragen im Internet.

Schrauben, stanzen, schleifen. Der Zeitungsblogger ist längst zuhause, als auf der Cebit die schönsten Rechner gekürt werden. Oben auf dem Podest steht der der holländische Aquariums-PC – der Blogger sucht ein Bild davon. Marc Voser alias Besi aus der Schweiz landet auf Rang 2. Der Blogger jubliliert. Und er guckt sich unter auf Besis Website an, wie dieser den PC gebaut hat. Nun begreift er auch, warum Besi ihn keinesfalls verkaufen will – den Computer in den er volle 380 Arbeitsstunden investiert hat.

Meine Kolumne Weblog erscheint wöchentlich im Bund Showtime der Berner Zeitung. Der oben stehende Text wurde am 16. März 2005 in der BZ sowie auf Espace.ch veröffentlicht. Einige Tage nach der Publikation erscheinen die Weblogs jeweils hier auf borniert.com.

Weblog: Im Lernrausch

«Klar gibts einen Lernrausch», sagt André Caradonna. «Hattest du noch nie einen?» Der Berner Zeitungsblogger nimmt einen Schluck Kaffee. Andy muss es wissen, denkt er. Der hat neulich sein Studium abgeschlossen. Und der beschäftigt sich seit 1999 intensiv mit Lernrausch.ch. Entstanden sei die Idee zur Austausch-Plattform eher in einer Kater- denn in einer Feststimmung, erzählt Andy: Er habe wegen Nebenjobs Vorlesungen verpasst. Damit er die Prüfungen gleichwohl machen konnte, habe er Vorlesungsmitschriften von Kommilitoninnen und Kommilitonen kopiert. Mit Lernrausch.ch sei ein solcher Austausch einfacher. Die Plattform sei praktisch für Studierende, die ihren Lebensunterhalt selbst bestritten – und insbesondere jetzt wichtig, da mit der Bologna-Reform die Stundenpläne dichter würden, sagt Andy. «Lernrausch.ch ist das Schweizer Sackmesser der Studierenden.»

Es gibt noch mehr solcher Sackmesser: Wer auf der Suche nach Haus- oder Seminararbeiten ist, schaut bei der Börse von Hausarbeiten.de vorbei. Ein umfangreiches Portal zu beinahe allem, was Studentinnen und Studenten so treiben, ist Studisurf.ch: Hier werden Lizenziatsarbeiten und allerlei anderes verkauft, Notizen getauscht, Jobs vermittelt und die «beste Studi-WG» gekürt. Und hier stehen Texte der Lieblingsschreiber des Zeitungsbloggers: Tagi-Magi-Michèle sinniert in ihrer Gastkolumne über die Fress- und Putzgewohnheiten in ihrer Kommune. Und BZ-Schorsch fordert eindeutig zweideutig «Frühfranzösisch für alle».

Zurück zu Lernrausch.ch: Heute stehen dort 300 Zusammenfassungen aus 15 Studienrichtungen zum Herunterladen bereit – derzeit vorwiegend zu Vorlesungen an der Uni Freiburg. Doch nun hat Andy auch einen Bereich für Berner Studierende eingerichtet. Zudem hat er ein Wiki aufgeschaltet, wo Gruppen gemeinsam Seminararbeiten schreiben können. Nein, Andy scheint nach seinem Lernrausch keinen Kater zu haben. Das beruhigt den Berner Zeitungsblogger. Er freut sich auf den eigenen Lernrausch.

Meine Kolumne Weblog erscheint wöchentlich im Bund Showtime der Berner Zeitung. Der oben stehende Text wurde am 9. März 2005 in der BZ sowie auf Espace.ch veröffentlicht. Einige Tage nach der Publikation erscheinen die Weblogs jeweils hier auf borniert.com.

Cebit 2005

Die Flaggen flattern im Wind. Die Unternehmensvertreter, die Hostessen, die Arbeiter eilen aus der Stadtbahn durch den Regen auf das Messegelände. Dort herrscht bereits emsige Betriebsamkeit: Lieferwagen und Lastwagen kurven herum. In den Hallen montieren Arbeiter Stände, ziehen Kabel, drapieren Geräte. Am Donnerstagmorgen muss alles bereit sein. Dann öffnet die weltgrösste Computer- und Telekommunikationsmesse Cebit in Hannover ihre Tore.

Die Messeveranstalter sind zuversichtlich, auch wenn die Ausstellungsfläche nochmals minim kleiner geworden ist und einige grosse Unternehmen ihren Auftritt abgesagt haben. Denn es haben sich dieses Jahr mit 6 270 Ausstellern 161 mehr als im Vorjahr angemeldet. Rund die Hälfte aller Aussteller reist aus dem Ausland an: An der diesjährigen Cebit werden Unternehmen aus 69 Ländern erwartet. Stark vertreten sind solche aus dem asiatisch-pazifischen Raum. In der Länderstatistik liegt Deutschland vor Taiwan, China, den USA und Südkorea. Die Veranstalter erwarten 500 000 Besucher bis zum Ende der Cebit am 16. März.

Ein Gerät für alles
Während sieben Tagen werden die Hersteller demonstrieren, wie die ehemals getrennten Welten der Informatik, der Telekommunikation und der Unterhaltungselektronik zusammenwachsen. Revolutionäres ist wenig zu erwarten, dafür endlich praxistaugliche und marktfähige Geräte und Programme. Die Hersteller werden Handys zeigen, die wirklich als Ersatz für die Fotokamera, den CD-Spieler, das Radio taugen — und mit denen man zudem noch fernsehen, E-Mails schreiben und im Web surfen kann. Sie werden Mobiltelefone für das neue UMTS-Netz lancieren — und mit multimedialen Diensten die Kunden vom Nutzen des neuen Netzes zu überzeugen versuchen. Sie werden Telefone zeigen, mit denen man nicht nur über die normale Leitung sondern auch über das Internet telefonieren kann. Sie werden Computer für das Wohnzimmer präsentieren, schnellere Prozessoren, grössere Bildschirme, neuartige Kameralinsen, mögliche DVD-Nachfolger, Periferiegeräte, neue Software. Sie werden komplexe Programme für grössere Unternehmen und Verwaltungen demonstrieren. Und sie werden zeigen, wie Unternehmen ihre Daten effizient sichern und schützen können. Kurz: Die Anbieter werden jene Produkte zeigen, die der Informations- und Telekommunikationsbranche endlich einen zweiten Frühling bescheren sollen.

Zeichen des Frühlings
Willi Berchtold sieht diesen Frühling nahen: «Die Branche hat die Schwächephase der Jahre 2001 bis 2003 endgültig überwunden», sagt der Präsident des deutschen Branchenverbandes Bitkom. Die Konsumenten liessen sich wieder für neue Technologien begeistern – für Kamerahandys, Multimediaplayer, Breitbanddienste. Auch kleine und mittlere Unternehmen investierten wieder in ihre Computer- und in ihre Telekommunikationsinfrastruktur. Der Hardware-Markt entwickle sich zwar nur «moderat im Plus». Dafür werde aber in Programme und Sicherheitslösungen investiert — und in Dienstleistungen: Etliche Verwaltungen und Unternehmen lagerten die Betreuung der Computer und der Netzwerke an spezialisierte Unternehmen aus.

Das stimmt den Branchenverband zuversichtlich. Bitkom erwartet dieses Jahr im deutschen Markt ein Wachstum von 3.4 Prozent — ein dreimal höheres Wachstum als in der Gesamtwirtschaft. Erstmals seit Jahr 2000 werde die Branche wieder neue Arbeitsplätze schaffen können, so Berchtold. Die Kehrseite der Medaille sei aber, dass dieses Wachstum Begehrlichkeiten bei Verwertungsgesellschaften, Überwachungsbehörden und der Politik wecke. Bereits heute empfänden die Mitgliedsunternehmen die Politik als das grösste Hemmnis im Markt. Der Staat müsse sich auf die Bereiche konzentrieren, für die er wirklich zuständig sei, fordert Berchtold.

In den Hallen montieren Arbeiter Schriftzüge, rollen Teppiche aus, karren Getränke herum. Draussen ist die steife Brise geblieben. Nun drückt aber für kurze Zeit doch noch die Sonne durch die Wolkendecke. Vielleicht beginnt er doch in Hannover: der zweite Frühling der Informations- und Telekommunikationsbranche.

Dieser Artikel ist am 10. März in gekürzter Form in der Berner Zeitung erschienen.

Interview mit Stefano Mazzocchi

In der BZ vom 4. März ist das Interview mit Stefano Mazzocchi erschienen, das ich an der Opensource-Konferenz Lots mit ihm geführt habe. Stefano Mazzocchi ist Wissenschafter am MIT und einer der Hauptautoren des Apache Cocoon Frameworks. Im Interview erklärt er, weshalb Opensource-Software gut für die Wirtschaft sei und wie das Internet weiterentwickelt werden soll.